Jörg Miedza verfolge ich schon seit langer Zeit. Jörg ist einer der Gründe, warum ich mit der Lichtmalerei angefangen habe. Inzwischen konnten wir uns auch auf der ein oder anderen Veranstaltung persönlich kennenlernen. Umso mehr freut es mich, dass Jörg sich bereit erklärt hat, mir ein paar Fragen zu beantworten.
Da dich wahrscheinlich nicht alle unserer Leser schon kennen: Wer bist du,was machst du ?
Ich bin Jörg Miedza, ein Nordlicht, Baujahr 1969, ein Visionär. Ich bin Lichtkünstler und die Dunkelheit ist nicht nur eine meiner größten Leidenschaften, sie ist mein wichtigster Helfer am Set.
Die dunkle Jahreszeit eignet sich besonders gut für die künstlerische Arbeit mit Kamera und zusätzlich eingebrachten Lichtern, der Lichtkunstfotografie. Gut gemacht, entsteht hierbei etwas Kunstvolles. Das Ergebnis zu beurteilen liegt aber natürlich immer im Auge des jeweiligen Betrachters. Grundsätzlich bringen alle Orte zu jeder beliebigen Jahreszeit, wenn sie denn genügend Licht fernhalten können, diese Eigenschaft mit sich.
Hauptsächlich verwende ich das Medium Fotografie in Form von unbewegten Bildern dafür. Mittlerweile gehe ich aber auch häufiger mal in den Bewegtbild-Modus über. Dieser besteht im Kern aber auch nur aus vielen Langzeitbelichtungen, die später bei der Präsentation in einer Sequenz, einem Film, ablaufen.
Ich teile die Lichtkunst ganz grob in zwei Kategorien. Die erste Kategorie, in der die Umgebung partiell unter Verwendung von “passivem Licht” herausgearbeitet wird (vorhandene Dinge werden angeleuchtet) und in die dann in einer weiteren Phase zusätzlich “aktives Licht” (Lichtspuren aller Art) eingearbeitet wird. Und die zweite Kategorie der Lichtkunst, in der die Hauptrolle fast ausschließlich durch das eingebrachte “aktive Licht” übernommen wird und die Umgebung in den Hintergrund tritt.
Um einen Eindruck des Umfangs zu bekommen, möchte ich als Beispiel die erste Kategorie, in der auch Umgebungen eine maßgebliche Rolle spielen, etwas genauer beleuchten.
Schritt 1:
In der Dunkelheit geht es dort für mich zuerst darum, mit dem Licht in der Hand, bestimmte Teile dieser Dunkelheit wieder sichtbar zu machen. Die Kamera steht still auf dem Stativ und zeichnet die Szene auf. Ich radiere, mit der passenden Menge Licht, aus der Dunkelheit dann genau die Bereiche, die ich für meine Kulisse benötige, aus der Dunkelheit heraus.
Dazu nehme ich Lichter aller Art zur Hand. Von kleinen Taschenlampen für den Nahbereich und die Details, bis hin zu 3200 Lumen starken fokussierbaren Handscheinwerfern für Fläche und große Entfernungen. Die Umgebung passend zu beleuchten, beschreibe ich als “Einbringen von passivem Licht”. Das sind Lichtquellen, die nicht als Lichtquelle selbst im Foto sichtbar sind. Es ist sozusagen das Vorbereiten der Kulisse, schafft Atmosphäre und wird von vielen oftmals für den Gesamteindruck in der Lichtmalerei unterschätzt. Hierbei kann schon mal eine gewisse Menge Zeit draufgehen.
Dabei starr hinter der Kamera zu stehen und von einem Punkt aus zu leuchten, bringt eher keine schönen Resultate, oft Störungen oder Lichtbalken. Um einen gleichmäßigen Effekt zu bekommen, muss man sich also dafür viel im verfügbaren Raum bewegen. Je größer die Räume, desto weiter die Wege. Und es gilt natürlich: je höher die Blendenzahl, desto stärker muss dein leuchtendes Radiergummi sein. Vorhandene Restlichter von Städten, Streulichter oder Mondlicht werden auch bewusst eingearbeitet und durch die passende Einstellung der Blende im Zaum gehalten oder in bestimmten Zeitabschnitten der Aufnahme bewusst betont.
Schritt 2:
Als ein zweiter Schritt wird die Aufnahme mit “aktivem Licht” bestückt. Das ist meistens der bekannte Part der Lichtmalerei. “Aktive Lichter” werden sichtbar vor der Kamera bewegt. Das gleicht dann dem Malen auf einem Blatt Papier. Hier ist der Stift dein Licht und der Sensor das Papier. Hier kannst du den Emittenten des Lichts vor der Kamera direkt sehen. Das, was du dabei malen kannst, ist nur durch deine malerischen Fähigkeiten und der eigenen Fantasie begrenzt. Alles was leuchtet, eignet sich jedenfalls dafür. Das können Lampen aller Art, Feuer, Funken, glühende Metalle, reflektierende Materialien oder angeleuchtete Gegenstände in allen Farben und Formen sein.
Übrigens:
Licht bleibt nicht wie Laub oder Schnee auf der Straße liegen. Licht, also Quanten, sind das am schnellsten flüchtige Material auf der Welt und es staut sich am besten auf dem Sensor deiner Kamera.
Tipp:
Besonders schöne und authentische Lichteffekte bekommt man in einer solchen Lichtkunstfotografie, wenn man das direkte “aktive Licht” mit der gesamten Szenerie sinnvoll verbindet. Zum Beispiel, wenn sich die Striche einer Lichtfigur an einer Wand oder in einer Pfütze am Boden spiegeln oder weiterführen lassen. Das ist aber alles nichts Neues, darauf achtet jeder Portrait- oder Landschaftsmaler seit eh und je.
Alles aus Schritt 1 & 2 passiert natürlich, ohne sehen zu können, was da bislang aufgenommen wurde. Mal eben nachsehen, wie viel Licht der Baum links vorne schon abbekommen hat oder ob die Lichtspirale rund geworden ist, das geht mit klassischen DSLR´s nicht. Es gibt zwar erste spiegellose Kameras, die mit vielen einzelnen Fotos in Ebenen in der Kamera arbeiten, um so ein finales Foto zu erzeugen, aber die limitieren die Signale über Schwellwerte (also Zeitmenge oder Helligkeit).
Das hat unter Umständen andere Nachteile und bleibt am Ende natürlich ein Foto, welches aus vielen einzelnen Ebenen besteht. Das ist ein bisschen so, wie ein Auto mit Schaltung bzw. Automatik fahren. Es kommen beide von A nach B. Der eine nur mit deutlich mehr Handwerk als der andere. Da ist also mit der DSLR-Kamera Konzentration und Können angesagt. Und eine innere Sortiertheit liefert dabei immer gute Ergebnisse. Klar gibt es manchmal einige Überraschungen, und Lichter befinden sich auch mal dort, wo sie gar nicht leuchten sollten, aber die Zeit bringt eine gewisse Übung mit sich. Und auf den Prozess von “Trial and Error” musst du dich einlassen können und wollen, sonst bleibt es bei der Lichtmalerei sowieso beschwerlich oder im Ergebnis eher langweilig.
In welcher Region bist du zu Hause ?
Ich wohne etwas weiter oben im Norden. Im Weserdelta auf dem Weg zur Nordsee. Hier gibt es immer einen Horizont, viel Wind, Wasser und nachts meistens ein beeindruckendes Himmelsfirmament.
Die Restlicht”verschmutzung” der großen Städte hält sich hier sehr in Grenzen und an dem Ort, an dem ich mich entschieden habe zu leben, sind störende Lichter entweder von mir mit einem Schalter versehen worden oder gar nicht vorhanden. Der Weg an den Strand der Nordsee ist mit dem Auto in rund einer halben Stunde erledigt und das Osterstader Hinterland an der Küstenlinie ist abwechslungsreich in wunderschöne Geest- und Marschlandschaft geteilt. Jede Menge Möglichkeiten schöne Bilder zu kreieren.
Verdienst du mit der Fotografie dein Geld oder was machst du beruflich ?
Ich verdiene mit Fotografie Geld, muss davon aber nicht leben. So aufgestellt habe ich in den letzten Jahren einige internationale Projekte erfolgreich entwickelt und produziert. Projekte mit Coldplay, Diesel, LedLenser, Nike, Vodafone oder Cullmann und Zeiss zeigen, dass das Thema Lichtkunst seinen kommerziellen Weg auf jeden Fall schon mal gefunden hat. Für mich war und ist dabei in der Umsetzung dieser Projekte immer wichtig, dass es inhaltlich auf Augenhöhe umgesetzt werden kann. Das hat bislang immer sehr gut funktioniert. Kein stumpfer Pitch (Bieterwettbewerb) mit definierten Auftragsarbeiten nach Plan, inklusive der dann üblichen Lobhudelei für den Auftraggeber, um die Anschlussaufträge zu ergattern.
Es ist ein großer Vorteil so nicht agieren zu müssen. Wenn du von der Fotografie leben musst, bist du schnell abhängig und das stumpft einige Kollegen eben auch sichtbar schnell ab. Vergleiche das mal mit der Musik und hör dir die Top10 der Hitparade an. Das soll ja manchmal recht eintönig sein, aber es kommt auch hier immer auf den Zuhörer an. In dem Wort “Trend” ist jedenfalls das “End” schon recht prominent vertreten, nix für mich. Ich brauche da mehr Freiheit und vor allen Dingen Spaß und Freude an der Sache. Nur das bringt mir wirklich neue Sichtweisen, und damit meinen Kunden gute Bildideen.
Wenn du mich in meinem hauptberuflichen Alltag triffst, dann kannst du von mir viel über internationale Zahlungssysteme, Zahlungsverkehr und Payment hören. Ich bin seit nun fast 20 Jahren im bankennahen Payment-Bereich tätig. Wir entwickeln und betreiben Zahlungssysteme für größere eCommerce-Umgebungen mit einem kleinen Team von erfahrenen Kollegen. Im Kern all das, was an Systemen benötigt wird, wenn jemand im Internet einkaufen war und irgendwann an der Kasse steht, um sein Geld dem Händler zu übergeben.
Jörg, wie bist du zur Fotografie gekommen ?
Ich war schon immer den visuellen und akustischen Medien sehr zugewandt. Gut gemacht, sind Bild und Ton das perfekte Transportmittel für eine Geschichte und die dazugehörigen Emotionen. Bewegtbild und Fotografie spielen seit fast 30 Jahren eine zentrale Rolle, in der Art mich auszudrücken.
Ich habe Anfang der neunziger Jahre schon Camcorder auf fernbediente Autos geschnallt und bin damit durch die Gegend gefahren. Leider war damals das Thema Postproduktion, Akkulaufzeiten, linearer Schnitt am Rechner, etc. noch deutlich umständlicher und ich habe früh erkennen müssen, wie viel Zeit Bewegtbild in der Erstellung braucht und wie schnell das Zeugs dann vom Betrachter konsumiert war. Die Reichweite der erstellten Inhalte war natürlich auch noch völlig unterbelichtet. Youtube & Co. waren noch nicht erfunden. Das war oft alles etwas zäh und ich bin irgendwann, Mitte der Neunziger, weitergezogen in den Bereich der Fotografie.
Ich wollte bei den Motiven und Bildaussagen aufgeräumter, ruhiger und klarer werden. Ein Foto hat da mehr Kraft, den Moment zu gestalten. Es erreicht dich “in Ruhe” und gibt dir alle Zeit, die du ihm gibst, um es zu betrachten. Es läuft nicht davon, wie ein Film. In der Fotografie ist der Moment der Produktion nicht zwingend ruhiger oder kürzer (gerade in der Vorbereitung), aber in der Fotografie ist dennoch vieles entschleunigt. Stillhalten und fokussieren ist hier angesagt.
Was ist dein innerer Antrieb zu fotografieren ?
Viele sagen ja “wenn du Visionen hast, geh doch zum Arzt”. Autodidaktisch wie ich veranlagt bin, habe ich deswegen recht früh meine eigenen Sprechstunden abgehalten und mich intensiv gefragt, was siehst du da eigentlich? Wie geht das und wie kriegst du das alles in der richtigen Reihenfolge auf den Sensor und in die Speicherkarte? In genau diesem Prozess liegt ein Großteil meines Antriebes zur Fotografie. Der Weg zum Bild ist dabei projektbezogen und nicht allein affektorientiert. Ich habe eine Idee, eine Vision und dann suche ich die passende Herangehensweise, fertige und teste die benötigten Werkzeuge für Licht und Funktionen. Wenn ich dabei nicht im Studio arbeite, in dem ich zu jeder Zeit arbeiten kann, suche ich vorab eine Location aus und warte auf die passende Nacht.
Das Wetter spielt ja auch nicht immer mit und bspw. ein Voll- oder Neumond kommt nur alle 29 Tage zustande. Den richtigen Ort und Zeitpunkt gefunden, setze ich dann alle Elemente zusammen und drücke den Auslöser um eine Lichtkunstfotografie zu fertigen. Die Tatsache, dass mit Hilfe der Langzeitbelichtung zu machen, bringt Spielraum für Entwicklung und entschleunigt dabei alles auf eine wundervolle Art und Weise.
Für einen Blick hinter die Kulissen zur Entstehung dieses Fotos gibt es einen kleinen Mitschnitt vom Entstehungsprozess des Stahlwolle-Spins: LINK
Wo liegt dein fotografischer Schwerpunkt ?
In der gestalterischen Fotografie liegt er. Reine 1:1-Abbilder der Realität in Echtzeit funktionieren in der Lichtkunstfotografie eher nicht. Wenn ich meine Frau, die Kinder oder unsere Tiere zuhause auf dem Hof fotografiere, dann sind das Abbilder der Realität, echte Zeitzeugen eines bestimmten Moments, den ich mir gerne als Momentaufnahme bewahren möchte. In der Lichtkunst geht es um andere Dinge. Dort soll später etwas zu sehen sein, was nur die Zeitachse sichtbar machen konnte. So etwa wie ein ganzer Film in einem einzigen Foto. Die Summe der gestalteten Lichtmenge, die mit dem bloßen Auge in Echtzeit nicht wahrnehmbar ist, darum geht es in den Ergebnissen dieser Art der Fotografie.
Ich bin sehr naturverbunden, deswegen gehe ich neben den Studioproduktionen immer viel raus in die Natur, zu jeder Jahreszeit. Diese großartigen Naturbühnen sind sicher am weitesten von der Komfortzone der meisten Fotografen entfernt, gerade in der dunklen und kalten Jahreszeit. Diese Plätze bieten für mich aber viele tolle Möglichkeiten zu fotografieren. Nebenbei sind diese Orte nachts meistens schön ruhig und du kannst ungestört arbeiten.
Aber auch wenn ich zuhause oder im Studio arbeite, um Konzepte zu entwickeln oder Lichtwerkzeuge zu testen, entstehen natürlich Bilder. Nebenbei gesagt, dort sind sogar schon außergewöhnliche Dinge entstanden. So sind die kreisrunden Elemente, die als Komplettfolierung auf rund 800 Taxen für ein großes Mobilfunkunternehmen in London seit einigen Jahren durch die Gegend fahren, zum Teil in meiner Küche entstanden.
Neben der gemütlichen City-Version gibt es auch noch eine für die Rennstrecke.
Du hast ja vor längerer Zeit im Bereich „Lichtmalerei“ zusammen mit Jan Wöllert gearbeitet und dasBuch „Faszination Lichtmalerei“ verfasst – Hat dich das fotografisch geprägt ?
Klar, beides hat mich geprägt. Ein Buch zu schreiben nimmt eine Zeit lang deinen Fokus ein, und Jan zu treffen ebenfalls. Das Buch war eine schöne Belohnung für beide, denn es dokumentiert die frühe Phase beider Lichtmaler. Hier steht schwarz auf weiß geschrieben, wie die Geschichte damals wirklich war und wie es sich zeitlich entwickelt hat. Jan hatte ein paar Wochen zeitlichen Vorsprung und schon die ersten Lichter durch die Nacht geschwungen. Kurze Zeit nachdem er mir im Büro erste Bilder davon gezeigt hatte, sind wir nachts zusammen losgezogen, um gemeinsam neue Ideen, sowie größere und komplexere Dinge umzusetzen.
In der Nacht- und in der Landschaftsfotografie waren wir ja beide schon erprobt, aber mit dem Licht in der Hand zu malen und dabei performanceartig technisch-konzeptionell zu arbeiten, das war für beide neu. Wir hatten guten Zuspruch für unsere Bilder bekommen und das einte uns für eine Weile. Aber die Vorstellungen beider Akteure, wie man sich der Welt da draußen präsentieren sollte und welche Ziele noch erreicht werden müssten, die gingen recht schnell und recht weit auseinander. Ende 2010, Anfang 2011 war für mich die Zeit dann gekommen, das Projekt meinerseits zu beenden. Das ist bei Fotografen-Teams genauso wie bei Musikern. Das ist eine dynamisch kreative Masse, die bewegt sich. Bewegung bedeutet neue Positionen beziehen und damit schlussendlich Veränderung. Heute gibt es keinerlei Kontakt mehr untereinander. Jeder macht sein eigenes Projekt und und hat dabei auf seine eigene Art und Weise Spaß dabei.
Wie lange bereitest du ein Bild (Lichtmalerei) vor und wie lange sind deine durchschnittlichen Belichtungszeiten bei so einem Arrangement ?
Ein Bild entsteht meist konzeptionell. Nach Auswahl eines vorab definierten Themas oder einer Aufgabenstellung schließt sich dann oft ein Brainstorming an und die ersten Fragmente werden festgelegt. Klingt recht technisch und emotionslos, ist es aber nicht. Denn Themen oder Aufgabenstellungen entwickeln sich auch oft aus vielen kleinen Gedankenblitzen. Im Alltag, auf der Straße, beim Hören von Musik oder anderen Geräuschen. Diese Momente bringen mich oft zu einem Bild oder zu einem weiteren Gedanken, der dann in mir ein Bild auslöst. Hier muss ich dann dran bleiben. Du musst diesen Moment überhaupt erstmal bewusst wahrnehmen und dann noch erfolgreich festhalten.
Das ist so ein bisschen wie morgens beim Aufstehen. Wenn du morgens auf der Bettkante sitzt, dann hast du vom Traum noch alles parat, nach dem Zähneputzen ist das meiste schon wieder flüchtig, weil du beginnst, den Tag im Kopf zu planen. Also musst du diese Gedankenblitze im passenden Moment einfangen, sodass du sie später in Ruhe weiter ausarbeiten kannst. Schnelle Stichworte, Skizzen, Wortnotizen oder auch ein kleines Video, all das geht seit den Smartphones viel einfacher. Früher waren das Zettel und Bücher.
Auch ist es immer wieder toll, darin mal zeitversetzt zu stöbern. Es ist gut und wertvoll, wenn manche Ideen eben auch noch etwas reifen. Ein gewisser zeitlicher Abstand zur Idee lässt dich immer gut erkennen, wie gut die Idee überhaupt war. Im Gesamtbild würde ich sagen, dass das Vorbereiten der Idee mindestens genauso viel Zeit benötigt wie das dann folgende Shooting. Der Tag, an dem ich dann das Auto packe, oder mir das Stativ auf´s Quad schnalle und den Heckkoffer mit Licht-Utensilien und Fotorucksack belade, der kann schon einige Wochen von der initialen Idee entfernt liegen.
Ein Shooting ist dann meist so angelegt, dass die ganze Nacht Zeit dafür ist. Im Sommer wirst du dann zwar recht früh von der Morgendämmerung gestört, und im Winter ist das Wetter manchmal eine Herausforderung, aber der Drang zum finalen Bildergebnis macht meistens alles gangbar und passend, im Studio sowieso. Wenn das nicht ausreicht, dann geht es halt in der nächsten Session weiter mit Teil 2.
Die Belichtungszeiten sind immer im Minutenbereich und meistens wird nur mit dem Handauslöser fixiert. Ich mag es nicht, wenn ich am Timer eine Zeit einstelle und ich dann gegen die Sekunden des Fernauslösers arbeite. Die Blende und der ISO-Wert sind dabei natürlich so gewählt, dass es nichts ausmacht eine Minute früher oder später fertig zu sein. Es ist sowieso stockdunkel, solange ich nichts beleuchte, passiert wenig auf dem Sensor.
Vieles wird im Bereich unter 5 Minuten erstellt, aber es gibt auch Fotos, bei denen ich erstmal das mitgebrachte Fahrrad aus dem Kofferraum nehme, um die Baumreihe an der nächsten Straße in 200m Entfernung zu erreichen, um diese ausgiebig zu beleuchten. Das dauert dann alleine schon mal 15 Minuten und mehr.
Hast du eine deiner Fotografien vor Augen bei der du sagen würdest, Ja, das ist meine beste Aufnahme (und würdest die hier zeigen) ?
Nee, so ein spezielles Bild, was ich persönlich nach ganz oben sortieren würde, habe ich nicht. Es gibt ganz sicher Fotos, auf denen besonders gut bewegte Elemente zu sehen sind, die an besonderen Orten entstanden sind, oder Fotos in denen fotografisch, technisch, konzeptionell ein besonderer Level erreicht wurde, aber das beste Bild gibt es für mich nicht. Es gibt aber schon Bilder, die mir besonders gut gefallen.
Eines davon haben wir gemeinsam mit weiteren Freunden gemacht, lieber Frank. Das Foto am schwarzen Leuchtturm Obereversand am Strand von Dorum. Das ist eines, was mir besonders gut gefällt. Es gefällt mir, weil es im Team so gut funktioniert hat. Aber auch die Machart und die Größe sind toll. Allein die innere orange Kuppel hat einen Durchmesser von 10 Metern bei 5 Metern Höhe. Wenn du an dieser Stelle ein Bild zeigen willst, dann nimm dieses Bild. Wir haben es auf dem Lighthouse-Treffen der LPWA im Dezember 2015 mit vielen Lichtfreunden gemacht. Von der UNESCO ist das Foto sogar im Rahmen des IYOL 2015 – International Year of Light 2015 benutzt worden. Eine tolle Erinnerung!
Was war die verrückteste/interessanteste Geschichte, die du bei der Erstellung deiner Bilder erlebt hast ?
2009 im April stand ich, natürlich in stockfinsterer Nacht, bis zu den Knien nass, in den Ban Gioc Wasserfällen in Detian/China. Die Ban Gioc Wasserfälle sind weltweit die viertgrößten an der Grenze zwischen zwei Ländern, in diesem Fall die Grenze von China und Vietnam. Es galt hier die Wasserfälle bei Nacht zu erleuchten. So stand ich u.a. für eine Belichtung von 1-2 Minuten starr wie eine Salzsäule mitten im oberen Flusslauf vor den Wasserfällen und erleuchtete die Szene. Kurz bevor ich über den Zaun auf chinesischer Seite in den Wasserfall stieg, gab mir einer der Guides noch den Tipp, nicht so lange auf die vietnamesische Seite zu leuchten, denn dort könnten sich die Grenztruppen vom Licht gestört fühlen. Man würde die Jungs aber ganz gut an den Lichtern der Fahrzeuge erkennen, wenn sie denn kämen. Kaum ging das Foto los, sah ich aus dem Augenwinkel dann, auf der vietnamesischen Seite, schnell die ersten bewegten Lichter.
Zu meinem Erstaunen waren das nicht nur ein paar, sondern richtig viele. Mein lautstarker Hinweis an den Kollegen hinter der Kamera “mach hinne Alter, da kommen die vietnamesischen Grenzer” wurde von einem ebenso lautstarken “da ist nix, warte noch, gleich ist das Bild fertig” erwidert.
Die Lichter im Augenwinkel bewegten sich weiter und ich dachte mir, gleich ist “Game-Over” und hier gibt’s richtig Ärger. Ich hätte mit meinem nicht vorhandenen Chinesisch oder einem Vietnamesisch auf gleichem Level sicher wenig glaubhaft erklären können, warum ich als Europäer mit dieser Mega-Funzel nachts im Wasserfall stehe und die Grenze beleuchte. Die Spur auf der ich mich bewegte, war also sehr eng in diesem Moment und es drohte einiges an Ungemach. Als dann endlich der Verschluss der Kamera klackte und das erlösende “Fertig!” durch die Nacht schallte, kletterte ich vom steinigen Flussbett zurück auf die chinesische Seite in Sicherheit.
Dort angekommen zeigte ich auf die ganzen Lichter auf der anderen Seite. Die Lichter waren jetzt auf mal sehr klein und schwach, sodass es so aussah, als ob die Grenzer schon wieder auf dem Rückweg waren. Aber es wurden dennoch immer mehr davon. Bei genauem Hinsehen waren die Lichter dann allerdings nur ein Schwarm Glühwürmchen, der offensichtlich von unserer nächtlichen Lichtaktion angelockt wurde. Glück gehabt!
Und auf dem gleichen Trip wäre ich dann beinahe noch in Nanning verhaftet worden. Als Resultat eines Tests, bei dem ich vom 15. Stockwerk des Hotels mit einem Prototyp einer neuen 3200 Lumen Lampe aus dem Fenster des Hotelzimmers rumleuchtete. Unten vor dem Hotel standen ruck-zuck ein paar Polizisten und die waren mal so gar nicht begeistert von der Aktion. Ich konnte sie hören, aber nicht verstehen… aber das ist eine andere Geschichte…
Wieviel Zeit investierst du im Schnitt für die Nachbearbeitung deiner Bilder am Computer ?
Was das Bearbeiten eines einzelnen RAW-Fotos aus der DSLR betrifft, ist es nur ein kleines Zeitfenster. RAW entwickeln, vorab vielleicht noch ein wenig an den Settings regeln, Lichttemperatur, Helligkeit Kontrast einstellen. Nach dem Entwickeln gegebenenfalls noch das TIFF entrauschen und/oder schärfen und am Ende vielleicht noch einen Bildausschnitt bestimmen, das Logo rein, fertig.
Wenn ich allerdings im Bereich der bewegten Lichtkunst Bilder unterwegs bin, dann ist da schon aufgrund der Menge der Bilder weit mehr zu tun. Wenn es ein Loop wird, dann muss zuerst der passende Punkt für die Wiederholung gefunden werden. Bei längeren Bewegtbild-Sequenzen reihe ich eine ganze Menge Langzeitbelichtungen zu einem Film aneinander. Da geht es dann schnell mal um ein paar hundert Fotos, je nachdem was zu sehen ist. Alle im Ursprung als 14 bit-RAW aus der Kamera. Das Vorbereiten zur Entwicklung eines einzelnen dieser Sequenz-Fotos dauert aber auch nicht länger als das single-RAW-Foto. Da aber alle x-hundert Fotos noch vom Computer mit dem gleichen Prozess entwickelt und diese dann später noch in einer Reihe/Sequenz zu einem Film zusammengefügt werden müssen, geht dabei schon weit mehr Zeit drauf. Das ist aber dann Zeit, die der Rechner alleine verbringt, da muss ich ja nicht zuschauen.
Ein neuer Teil in der Nachbearbeitung, der Zeit benötigt, ist hinzugekommen – die Produktion von Musik. Das hatte ich schon viele Jahre vor. Jetzt habe ich tatsächlich begonnen, meine erste eigene Musik zu komponieren und aufzunehmen. Das verwende ich dann für die Präsentation von bewegten Bildern. Das sind akustisch momentan noch recht aufgeräumte Tracks hinter kurzen Bildsequenzen. Diese Bereiche werden momentan auch noch in zwei unterschiedlichen Prozessschritten gefertigt. Zuerst steht immer das Bildergebnis und dann kommt später die Musik hinzu.
Findest du es wichtig, die eigenen Bilder auch zu drucken ? Oder wie präsentierst du deine Bilder ?
Ich finde es nicht so wichtig Fotos zu drucken, solange ich sie nicht im Rahmen einer Ausstellung präsentieren oder gar verkaufen möchte. Es ist aber unbestritten jedes Mal ein beeindruckender Moment, seine Bilder gedruckt vor sich zu sehen. Ein paar von uns Lichtmalern haben es ja auch schon erfolgreich in den Bildervertrieb von Möbelhäusern geschafft, was ich super finde. Meine Bilder sind zu 99% elektronisch auf Bildschirmen zu sehen. Das trifft den Puls der Zeit momentan ganz gut und hat für mich mit Abstand die größte Reichweite.
Bei der Präsentation von Inhalten halte ich mich an der Social-Media-Front gerne etwas zurück und versuche dort, nicht meine Zeit zu vergeuden. So eine Netzwerkfunktion an sich ist zur weltweiten Kommunikation natürlich auf jeden Fall klasse, dies nutze ich auch intensiv. Und es ist mir auch nicht egal, wie viele Likes ein Bild bekommt, aber mir ist es auch eben nicht wichtig genug, um deswegen andere Inhalte zu produzieren oder ein täglich postendes Schwarmtier zu werden. Ich nutze diese Kanäle als Schaufenster und wer mag, bleibt eine Weile bei mir stehen.
Was darf in deiner Kameratasche auf keinen Fall fehlen ?
Diese doofe Brille, die ich seit geraumer Zeit benötige. Es sind erst 1,5 Dioptrin, aber mit knapp 50 Jahren auf dem Tacho soll das wohl sowas wie eine natürliche Abnutzung der Augen im Nahbereich sein, sagt der Optiker. Sei es drum, ich bin schon mit anderen lästigen Dingen fertig geworden. Diese Brille steigert sogar meistens noch die handwerkliche Qualität der Fotos, denn man sieht mit so einem Teil auf der Nase einfach noch mal genauer hin.
Ich habe auf deiner Seite etwas vom Projekt „Mercury“ gelesen. Kannst du dazu ein paar Einzelheiten verraten ?
Bei meinem frühen Lichtkunst-Fotos im Jahr 2007 hatte ich schon daran gedacht, wie es wäre, auf dem Monitor während der Belichtung das Ergebnis Schritt für Schritt mit ansehen zu können. Bei reinen Spiegelreflex-Kameras war das technisch aber so nicht möglich. Zuerst musste der Spiegel wieder runterklappen, und wenn die Nachbelichtungszeit durch ist, siehst du erst das Ergebnis. Das konzentriert dich bei den finalen Shoots in der Location auf seine ganz eigene Art und Weise sehr stark im positiven Sinn.
Aber in Studioumgebungen oder beim Einstudieren und Üben von Lichtbewegungen ist ein Live View sehr hilfreich. Heute gibt es bei den spiegellosen Kameras Features wie “Live-Bulb/Time & Composite Features”. Das ist ja im Kern nur eine simple Überlagerung von einzelnen Bildern per Ebenenfunktion, so wie aus Photoshop bekannt. Mein Fokus galt aber der Suche nach einer konfigurierbaren Softwarelösung für einen Rechner. Software, in die ich programmierseitig meine Wunschfunktionen selber einbringen kann. Nichts, was auf die Kamera oder einen bestimmten Kamerahersteller begrenzt ist.
Es sollte idealerweise auf dem PC, dem MAC und dem Smartphone laufen und somit hoch mobil sein. Ziel war es dabei, keinen Supercomputer zu benötigen und alles trotzdem ohne Verzögerung in Echtzeit sehen zu können. Es gibt da das eine oder andere System von dem man lesen oder hören kann, aber alles ist da so sehr Top-Secret und mega-teuer in Sachen Hardware (wenn überhaupt kaufbar). Damit wollen die Betreiber selber Shows auf der Bühne verkaufen, Entertainment und Business halt. Bei Mercury und seinen Vorläufern sollte das anders sein.
Mit einem Vorläufer von LightpaintLive-Mercury (auf Android) hatte ich eines Abends im Google-Play-Store eine Software runtergeladen, die das Gewünschte dann tatsächlich im Ansatz bereits bewerkstelligte. Ich konnte den gesamten Vorgang der Belichtung live mit ansehen. Das erste Foto war dann auch schnell im Kasten. Ich saß auf dem Sofa, das Zimmerlicht war an und ich drückte den Auslöser. Zack war der Bildschirm weiß und alles überbelichtet. Das nächste Foto, bei Kerzenschein, war schon brauchbarer und je weniger Licht im Raum war, desto feiner konnte ich neues Licht gezielt einbringen oder besser gesagt, mit Licht malen. Es gab in dieser Version nur eine Start/Stop-Taste.
Ich kontaktierte am gleichen Abend den Entwickler in den USA und erklärte ihm, dass diese Software genial sei und richtig großes Potential hat. Er erklärte mir, dass er bereits seit geraumer Zeit damit fertig sei und sich nicht so recht vorstellen könne, was da denn noch fehlen würde. Ich schrieb ihm, auch am gleichen Abend, die ersten 10 Features auf und in den folgenden 6 Jahren, mit rund 50 Software-Versionen, kreierten wir gemeinsam ein beispielloses Stück Software, welches es heute jedem User ermöglicht, auf dem Rechner einen Belichtungsvorgang live mit ansehen, steuern und kontrollieren zu können. Die Software ist mittlerweile sogar bühnentauglich durch Handfernbedienungen und hat sogar eine interne Aufnahmefunktion in voller Auflösung. Alles hochperformant. Das Ganze ist ausgerichtet auf die Input-Quelle einer Webcamera, was meistens in FullHD (1920×1080) vonstatten geht.
Mit speziellem Zubehör kannst du aber auch DSLR-Kameras anschließen (FullHD-HDMI-Capture). Ein ganz großes Anliegen hatten Josh (der Entwickler aus den USA) und ich vom Tag 1 an. Es ging uns nicht darum, das große Geld damit zu machen, sondern dieses kreative Tool für ALLE Interessierten zu entwickeln und zugänglich zu machen. Die Idee des Lightpaintings auf diesem Weg möglichst breit zu verteilen. Die App für den Chrome-Browser und als native App unter Android sind heute jeweils für ein paar Euros in den Stores zu haben und die Gemeinde der Fans wächst stetig.
LightpaintLive Mercury wird oft als Set-Begleiter genutzt oder als Trainingshilfe für das Einüben von Bewegungen mit Licht im Studio. Neuerdings arbeiten sogar Musiker mit Mercury, um ihre Bühnenperformance visuell zu erweitern. Ein spannendes Feld, in dem ich noch einiges erwarte. Neue Versionen sind ständig in Planung und 2019 soll das dann sogar 4k tauglich werden. Ich selbst war 2015 mit Mercury live in Brüssel auf der Bühne.
Mein Lichtfreund Norbert Götz vom Theater der Schatten in Bamberg und ich haben bei einer Veranstaltung der europäischen Technologie Plattform “photonics21” einen Auftritt absolviert, in dem wir live über knapp 15 Minuten am Stück, ein Storytelling von vielen Lightpainting-Bildern vor Publikum auf der Bühne aufführen durften.
Was sind deine Ziele für die nächsten Jahre ?
Ganz oben steht der Wunsch nach ungebremster und noch lang anhaltender Neugierde und der Freiheit, sich allen neuen Lichtern, Formen und Farben, die ich finde und die mich finden werden, immer intensiv widmen zu können. Kurzum und ganz egoistisch, einfach ungestört weitermachen und es genießen zu können. Und wenn ich mir im Studio die ganzen Notizen und Ideengerüste ansehe, bin ich auf jeden Fall sehr zuversichtlich, dass es weiter spannend und sehr intensiv bleiben wird.
Und nachdem ich an das Thema Bewegtbild und Langzeitbelichtung, trotz der Datenflut, langsam einen praktikablen Griff bekommen habe, wird dies auch weiterhin eine große Rolle in der Darstellung meiner Inhalte spielen. Vielleicht wird da ja mal ein richtiger Kurzfilm mit eigens dafür komponierter Musik entstehen.
Und ”last but not least” stehen selbstverständlich der weitere Austausch mit Freunden und neue Kooperationen auf meiner Liste. Das vernetzte Arbeiten war noch nie so einfach und effektiv wie heute. Hier haben wir alle, wenn sich die richtigen Leute finden, noch große Potentiale.
Jörg (Miedza), vielen Dank für das Gespräch und weiterhin immer ein lohnendes Motiv vor der Kamera !
Vielen Dank Frank !