Smartphone Fotografie – Modul 5 – Lektion 2

Gestaltungsregeln II

Mehr zu diesem Thema zeige ich dir in den unten stehenden Textbeispielen.

Achte auf Linien

Es gibt kein Bild, das keine Linien oder Flächen besitzt: Beide entstehen automatisch, sobald du ein zweidimensionales Bild einer dreidimensionalen Szene anfertigen. Beide Elemente führen den Betrachter durch das Bild und gehören untrennbar zusammen. Denn dort, wo eine Fläche endet, entsteht automatisch eine Linie und umgekehrt. Da für uns Europäer die Leserichtung von links nach rechts verläuft, lenken auch Linien auf Fotos die Leserichtung. Wer sich dessen bewusst wird, hält einen wichtigen Schlüssel für die Komposition eines Bildes in Händen.

Linien vermitteln uns je nach Verlaufsrichtung (von links nach rechts bzw. unten nach oben) positive oder (von rechts nach links bzw. oben nach unten) negative Gefühle.

Vertikale Linien haben oft die Wirkung, als würden sie ein Bild teilen. Auch horizontale Linien teilen ein Bild, allerdings wirkt dies auf uns nicht so irritierend. Dafür ist der Sonnenuntergang ein perfektes Beispiel, denn den werden die meisten von uns als angenehm empfinden.

Flächen wie Kreise, Rechtecke, Dreiecke, Rauten, etc. können sehr dominant auf uns wirken. Sie bündeln unsere Aufmerksamkeit, weil wir von klein auf Lernen, dass Symbole – beispielsweise im Straßenverkehr – eine größere Bedeutung haben.

Mehr über die einzelnen Linien zeige ich dir im nächsten Abschnitt.

wettersteinplatz

Führende Linien

Du hast ja bereits gelernt, das führende Linien (Führungslinien, Diagonalen) ein wesentliches Mittel sind, um Struktur in ein Bild zu bringen. Dabei ist es besonders gut, wenn die Linien den Blick des Betrachters zum Hauptmotiv lenken. Solche Linien heißen dann auch Fluchtlinien. Für gewöhnlich treffen sie am oder beim Hauptmotiv zusammen. Dieser Punkt wird als Fluchtpunkt bezeichnet. Das Auge des Betrachters „flüchtet“ dank der Linien zu diesem Ort. Dank dieser Linien entsteht eine gewisse Räumlichkeit im Bild. Das Foto wirkt dreidimensional.

Besonders gut eignen sich hierbei Straßen, Hecken, Zäune, Mauern, Alleen, Stromleitungen etc. Es gibt jedoch auch immaginere Linien wie zum Beispiel die Blickrichtung einer Person, die den Betrachter veranlasst, in dieselbe Richtung zu schauen. Auch Schatten sind ein beliebtes Mittel, um Struktur und Räumlichkeit in ein Bild zu bringen.

fluchtpunkt

Horizontale und vertikale Linien

Linien ziehen den Blick des Betrachters nicht nur an, sondern führen ihn zusätzlich durch das Bild. Dabei können Linien auf den Fotos durch verschiedene Weise entstehen, z. B. wenn das Motiv selbst wie eine Linie wirkt (wie z. B. der Horizont) oder als gedachte Linien durch einzelne, nah beieinander liegende Bildelemente.

Waagerechte und Senkrechte bieten sich auch an, ein Bild räumlich zu teilen. Die Teilung sollte dann aber nicht mittig geschehen, sondern wieder in der Nähe des Goldenen Schnitts.

horizont

Diagonale Linien

Diagonale Linien sind Linien, die weder senkrecht noch waagerecht verlaufen. Sie bringen besonders viel Spannung in ein Bild und sorgen dafür, dass es besonders räumlich wirkt. Wirkt ein Bild flach und zweidimensional, fehlen meist die Diagonalen; wirkt es in die Tiefe gehend, sorgen Diagonalen hingegen oft für diesen visuellen Effekt.

Diagonalen lassen sich meist durch die Veränderung der Perspektive erzeugen (wenn notwendig). So bietet es sich häufig an, ein Gebäude oder Motiv leicht von der Seite zu fotografieren, damit Diagonalen entstehen. Das Auge des Betrachters wird in der Regel den Diagonalen und Linien folgen und das Bild erhält einen plastischen Eindruck. Das seitliche Abbilden von Motiven hat zudem den Vorteil, dass Strukturen besser sichtbar werden. Frontale Aufnahmen werden hingegen gern für dokumentarische Zwecke verwendet.

Die Wirkung von Diagonalen wird umso größer, je geringer die Brennweite ist. Im Weitwinkel ergibt sich damit ein besonders starker räumlicher Effekt. Parallel verlaufende Linien scheinen dabei im Horizont zu verschmelzen und bilden damit den bereits erwähnten Fluchtpunkt. In einem Foto kann es grundsätzlich zwei Arten von Diagonalen geben:

  • Aufsteigende Diagonalen: Verlaufen von links unten nach rechts oben.
    (vermitteln positive Gefühle = Optimismus)
  • Absteigende Diagonalen: Verlaufen von links oben nach rechts unten.
    (vermitteln negative Gefühle = Pessimismus)

Natürlich kann man aus einem Bild mit absteigender Diagonalen mittels Spiegelung in der Bildbearbeitung nachträglich auch ein Bild mit einer aufsteigenden Diagonalen machen, sofern es das Bild hergibt (keine erkennbaren Schriften, die dann spiegelverkehrt wirken o.ä.).

Diagonale

Andere Formen: Kreise

Im Gegensatz zu Diagonalen bewirken Kreise (zum Beispiel Hüte, runde Sonnenschirme etc.) und geschwungene Linien einen harmonischen Ausdruck. Auch auf diese Weise lassen sich interessante Fotos aufnehmen, zumal Diagonalen und geschwungene Linien in einem Bild auch grundsätzlich nebeneinander eingesetzt werden können.

Farben

Ein weiterer wesentlicher Teil der Bildgestaltung, den du besonders als Anfänger in der Fotografie schnell übersehen kannst, sind die Farben. An dieser Stelle könnte man eine Grundsatzdiskussion starten, ob man mit der Fotografie die Realität abbilden möchte, oder ob man etwas gestalten will, so dass es für das Auge des Betrachters ansprechend wirkt. BeideThesen haben sicherlich ihre Daseinsberechtigung. Aber egal, für welchen Weg du dich entscheidest, solltest du dich auf jeden Fall auch mit den Farben beschäftigen.

Farben wirken sich unmittelbar auf unsere Wahrnehmung und damit auf unser Wohlbefinden aus. So kommt es, dass bestimmte Fotos bei uns ein Gefühl von Wärme und Harmonie auslösen, während andere Unruhe schaffen und Aggressivität aufkommen lassen. Als Fotograf sollte man diese kommunikativen Eigenschaften nicht unterschätzen. Ist man sich ihrer Wirkung bewusst, kann man allein mit Farben gezielt Stimmungen im Foto erzeugen und so seine Absicht unterstreichen oder auch bewusst Kontraste dazu schaffen.

Ein Übersicht der Wirkung von Farben:

farben

Komplementärfarben

Auf die Farben in seinem Foto hat man bei der Aufnahme zwar oft keinen Einfluss, es ist aber trotzdem wichtig, bei der Suche nach Motiven die Farben zu berücksichtigen. Wie man vielleicht noch aus der Schule weiß (du erinnerst dich an die „Grundlagen der Farblehre“), wirken Komplementärfarben (vor allem gelb/blau) beispielsweise besonders kontrastreich, spannend und intensiv. Wenige farbliche Abstufungen wirken hingegen beruhigend oder melancholisch.

Sanfte Farben

Besonders volle Farben (Farben mit hoher Sättigung) und Mitteltöne können durch ihre starke Wirkung vom Motiv ablenken. Daher ist es beim Fotografieren oft ratsam, auf sanfte Farben zu setzen. Dies gelingt für gewöhnlich durch hellere Farben (bis hin zu Pastellfarben) oder durch leichtes Entsättigen im Nachgang bei der Bildbearbeitung. Auch sehr dunkle Farben haben eine beruhigende, gedämpfte Wirkung – anders als helle, freundliche Töne wirken sie aber düster, bedrohlich und geheimnisvoll.

Grelle Farben

Grelle Farben sorgen für Aufmerksamkeit und ziehen die Blicke des Betrachters fast automatisch auf sich. Je weiter Farben auf dem Farbkreis voneinander entfernt sind, umso stärker ist der Farbkontrast und umso dynamischer und auffälliger ist das Bild. Dieser Effekt wird bei der Verwendung von Komplementärfarben maximiert.

Disharmonische Farben

Manchmal ist es auch interessant, dass eine gewisse Disharmonie in einem Bild herrscht, die auf Grund ungünstiger Farbgestaltung entsteht. Das Bild wirkt dann unruhig, chaotisch, verwirrend oder abstoßend. Disharmonie entsteht vor allem, wenn sehr viele Farben in einem Bild ohne rechte Ordnung auftreten. Vor allem Farben, die ungleichmäßig voneinander auf dem Farbkreis entfernt sind (zum Beispiel rot, orange, grün) wirken unharmonisch und widersprechen dem Farbklang.

Zu viele unterschiedliche Farben auf engem Raum bewirken im Grunde denselben Effekt. Eine solche Farbgestaltung kann aber bewusst vorgenommen werden, um die genannten Effekte beim Betrachter auszulösen. Ein Schilderwald, der aus Schildern unterschiedlichster Farbe besteht, wird wahrscheinlich schon rein farblich zur Disharmonie führen – und damit die Wirkung des Chaos verstärken.

Die Farbe Rot

Rot ist die Farbe mit der stärksten Intensität und wirkt oft als echter „Hingucker“. Um in ein vielleicht eher langweiliges Bild Spannung zu bringen, reicht es oft bereits aus, ein kleines bisschen rot einzubringen. Das kann beispielweise durch einen roten Ball bewirkt werden, ein rotes Fahrzeug etc. Gleichzeitig gilt die Regel „weniger ist mehr“ – zu viel Rot beziehungsweise zu viele grelle Farben können schnell vom eigentlichen Bild ablenken. Ein befreundeter Fotograf nennt seine Bilder dann oft „rot in kleiner Dosierung“.

rot

Schwarzweiß‘-Photographie

Obwohl heute alle Kameras Fotos standardmäßig in Farbe aufnehmen, wird man immer wieder auf Künstler stoßen, die ihre Photos bewusst in Schwarz-Weiß (Grauwerten) aufnehmen oder das Foto nachträglich in der Bildbearbeitung in SW umwandeln. Es gibt mehrere Gründe, warum ein Grauwertbild interessanter als ein Farbbild wirken kann:

  • Beim Grauwertbild kann der Betrachter nicht von den Farben abgelenkt werden. Es konzentriert sich alles auf die Linien, Formen und Motive der Aufnahme. Möchte man bestimmte Motive oder auch Strukturen (abstrakte Fotografie) besonders betonen, können Grauwerte manchmal die bessere Lösung sein.
  • Es soll gezielt ein Eindruck von alt, seriös oder konservativ hervorgerufen werden. Bunte Farben wären da nur kontraproduktiv.

Es gibt einige Genres, wo man Schwarz-Weiß-Fotos relativ häufig antrifft. Dazu gehören vor allem die Streetfotografie und die abstrakte Fotografie, weiterhin aber auch Architektur-, Stillleben-, Erotik- und Porträtphotographie. Trotzdem sollte man Grauwert-Aufnahmen eher dezent anfertigen, das heißt nur dann, wenn es notwendig beziehungsweise sinnvoll erscheint; Grauwerte sind nicht immer das Allheilmittel für gelungene Photos.

schwarzweiß

Muster und Wiederholungen

Durch die Verwendung von Wiederholungen in einem Foto erzielt man Vertrautheit. Sie können eine gewisse Ordnung im Bild schaffen. Wiederholungen sind meist offensichtlich und man begegnet ihnen in der Regel sehr häufig. Gerade Linien, gleiche oder ähnliche Gegenstände sind es, die sich gerne wiederholen. Eine Wiederholung in Szene zu setzen, fällt im Allgemeinen nicht schwer.

Halte die Augen offen – wir sind umgeben von Mustern und Wiederholungen: der alte Teppich bei den Großeltern, die modernen Mosaikfliesen im frisch renovierten Bad, der Holzstapel im Wald oder auch die Strandkörbe im Urlaub. Suche auch in deiner unmittelbaren Umgebung nach Mustern, die du dort nicht unbedingt erwartest.

Bei den vielen neuen Motiven die du entdecken wirst, solltest du jedoch darauf achten, dass zu wenig Elemente noch keine Wiederholung ausmachen. Erst bei einer gewissen Anzahl von Elementen wird eine Vertrautheit geschaffen, stellt sich ein Rhythmus oder eine Ordnung ein.

Muster

Ein starker Kontrast

Kontrast ist das Gestaltungsmittel der Fotografie. Die Welt der Kontraste ist vielfältig und es gibt Kontraste in den unterschiedlichsten Bereichen. Kontraste ziehen die Blicke des Betrachters besonders an. Er reagiertbesonders auf starke Kontraste und Linien sowie auf die Grenzen von Flächen.

Die Suche nach Kontrasten beim Fotoausflug schult das Auge für das Motiv ungemein. Welche Kontraste die bekanntesten sind, möchte ich dir hier einmal aufzählen:

1. Formenkontrast
Verschiedene Elemente gleichzeitig in ein Bild zu bekommen (z.B. rund und eckig), steigert die Aufmerksamkeit des Betrachters enorm.
 
formenkontrast
 
2. Schärfekontrast
Das gezielte Spiel mit der Schärfe im Bild zieht ebenso die Aufmerksamkeit des Betrachters an. Versuche den Schärfepunkt auf dein Hauptmotiv zu legen und lass alles andere (mehr oder weniger) in Unschärfe verlaufen.
 
schärfekontrast
 
3. Farbkontrast
Farben liefern immer einen Kontrast, vor allem, wenn sie hoch gesättigt sind. Auch kalte und warme Farben bieten immer einen schönen Kontrast im Bild.
 
farbkontrast
 
4. Helligkeitskontrast
Die Wirkung, die durch einen hohen Helligkeitskontrast vermittelt wird, ist eher dramatisch, spannungsgeladen, aufregend, dynamisch und unruhig. Solche Bilder weisen zwar weniger Details auf, wecken aber schneller die Aufmerksamkeit des Betrachters. Den Extremfall bilden hier Scherenschnitte oder sogar reine Schwarz-Weiß-Bilder. Durch eine gewisse Symmetrie im Bild kann der unruhige Aspekt aber teilweise wieder aufgehoben werden.
 
helligkeitskontrast
 
5. Größenkontrast
Bilde doch kleine und große Gegenstände gemeinsam auf einem Bild ab. Ein Berg wirkt viel gewaltiger, wenn man eine kleine Person im Vordergrund abbildet, welche den Größenunterschied deutlich macht.Oder du machst es umgekehrt: Du stellst kleine Dinge groß, oder große Dinge klein dar.
 
Größenkontrast